Valda Wilson als Alcina (Mitte) und die Tänzerinnen von iMove © Astrid Karger
Eine Zauberin, eine Hexe lockt Männer in ihr Reich, täuscht Liebe vor und verwandelt ihr Opfer dann in Steine oder Tiere, bis sie, die Königin, endlich zu wahren Gefühlen findet, sich unsterblich verliebt und damit ihre Zauberkraft verliert: denn ihr Lover hat sich in eine andere verliebt. Die Zauberin steht vor den Trümmern ihres eigenen Lebens.
So die Geschichte von Alcina, die Georg Friedrich Händel zu einer phänomenalen Oper machte, die im April 1735 ganz London und das Königshaus faszinierte. Diese Oper ist nun am Saarländschen Staatstheater zu sehen, und all die Leidenschaften, die großen Gefühle, das zutiefst Menschliche, all das wird hier in einer sehr überzeugenden Weise dargestellt.
Barockoper im modernen Opernhaus? Kann das gut gehen, gibt es die Version jenseits der strengen historischen Aufführungspraxis? Ja, die gibt es, und das Saarbrücker Haus hat gezeigt, dass das kein Verrat sein muss. Das Staatsorchester – diemal nur mit sehr jungen Musikern – spielten ‚barock‘, ohne Vibrato und im gezähmten Klang. Das Continuo war mit sehr erfahrenen Barockspezialisten besetzt und die Gesangsstimmen konnten ihre ganze dramatische Kraft in den so ausgearbeiteten Partien, in Rezitativen und den überragenden Arien ausleben. Sébastian Rouland, der Generalmusikdirektor stand selbst am Pult und führte uns durch das Stück so überzeugend, dass man das Gefühl hatte, es handele sich um eine durchkomponierte Partitur. Er ließ den Sängern alle rhythmische und agogische Freiheit. Manchmal fiel er in einen galanten Stil, ein andermal versuchte er mehr Gefühlsausdruck auch im Orchester zu erzeugen, was die Partitur nur bedingt vorgibt. Phantastisch auch seine dynamische Auslegung des Orchesterklangs mit einem sehr schönen Pianissimo.
Die Gesangsstimmen hatten jeden erdenklichen Raum. Die meisten Sänger kamen aus dem eigenen Ensemble, und sie zeigten alle, dass sie den besonderen Anforderungen der lyrischen Schreibweise Händels gerecht wurden. Überragend Valda Wilson als Alcina, barockerfahren, und mit großem Affekt, mit herrlichem Klangraum und höchster inneren Beteiligung. Ruggiero, eigentlich eine Kastratenpartie wurde in der Premiere von Melissa Zgouridi gesungen, eine Partie, die enorme Kraft verlangt, und die die Sicherheit der Stimme braucht, die Zgouridi ebenso mitbringt wie den dynamischem Ton. Dann glänzt vor allem Liudmila Lokaichuk in all ihrer stimmlichen und schauspielerischen Beweglichkeit, in der Schönheit ihrer Stimme und ihrem Talent, das Publikum mitzureißen.
Das alles spielt in einem riesigen Spinnennetz, dem Sitz der ‚schwarzen Witwe‘, darf man folgern. In der Mitte ihr Thron, angeregt durch die Grotte von Lourdes aber auch von den Bildern des Zöllners Rousseau. In den äußeren Ringen des Netzes dann verschiedene Zimmer, Küche, Schlafsäle, eine Intensivstation mit einer riesigen pneumatischen Apparatur und einem Sauerstoffzelt. Die Bediensteten und Soldaten sind alle uniformiert, mit roten Ganzkörperoveralls und Kopfkappen, was aussieht wie in frühen Science Fiction Filmen, was aber auch an psychiatrische Anstalten erinnert. (Bühne und Kostüme: Madeleine Boyd.) Die Uniformen verkörpern den Zauber, den Alcina über die Menschen legt. Erst wenn er verflogen ist, können sie sich der Uniform entledigen.
Alcina war von Anfang an auch ein Ballettstück, und das greift die impulsive Saarbrücker Inszenierung von Alessandro Talevi auf, auch mit dem phantastischen Jugendtanzensemble „iMove“ des Staatstheaters, das vorwiegend aus tanzbegeisterten Teenagern besteht, die der Inszenierung eine besondere und bildgewaltige Zutat geben.
Nichts wie hin, kann man dazu nur sagen. 2Gplus lohnt sich !!
Friedrich Spangemacher
staatstheater.saarland